Warum Warnstreiks richtig und wichtig sind
Um den Druck bei den Tarifverhandlungen zu erhöhen, ruft die IG Metall zu Warnstreiks auf. Beginn und Dauer legt der jeweilige IG Metall-Bezirk fest. Doch was können Warnstreiks bewirken? Sind sie rechtlich zulässig? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
„Solidarität gewinnt“ lautet unser Motto für unsereaktuelle Tarifrunde bei CARIAD. Wir fordern 8 Prozent mehr Entgelt und den Abschluss eines Tarifvertrages über eine einheitliche Erfolgsbeteiligung, einschließlich einer Abschlagszahlung an alle im Jahr 2023.
Die Arbeitgeber wollen nicht einmal den Tarifabschluss der Metall- und Elektroindustrie oder bei VW umsetzen. Ihr Kalkül: Die IG Metall und die Beschäftigten werden sowieso nicht streiken. Deshalb machen wir jetzt dafür Druck.
Die Friedenspflicht läuft am 28. Januar aus. Danach können wir für unsere Forderungen zu Warnstreiks aufrufen.
Was ist ein Warnstreik?
Mit den Warnstreiks beteiligen sich die Beschäftigten aktiv an den Tarifverhandlungen. Sie stärken und stützen nicht nur unsere Position, sondern üben auch öffentlich Druck auf die Arbeitgeber aus. Warnstreiks sind befristete Arbeitsniederlegungen von einer oder mehreren Stunden. Damit wollen wir mit den Beschäftigten die Arbeitgeber zu einem Angebot bewegen oder gegen ein zu geringes Angebot protestieren. Warnstreiks sind ein effektives Druckmittel, um gute Tarifstandards für Mitglieder durchzusetzen.
Gibt es Termine oder dringende Arbeiten, die ich trotz eines Warnstreiks oder Streiks erledigen muss?
Nein! Das Recht zum Warnstreik geht arbeitsvertraglichen Pflichten vor. Damit können alle Tätigkeiten, egal wie wichtig diese für das Unternehmen sind, unterlassen werden. Gibt es Arbeiten, die so wichtig für das Unternehmen sind, dass Gefahr für den Betrieb droht, kann das Unternehmen mit der Gewerkschaft einen Notdienst vereinbaren. Nur so vereinbarte Arbeiten müssen während des Streiks durchgeführt werden.
Dürfen nur Gewerkschaftsmitglieder streiken?
Die Teilnahme an Streiks und Warnstreiks ist ein Grundrecht. Es ist in der Verfassung durch den Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes geschützt und steht allen Arbeitnehmer: innen zu. Dieses Recht haben alle unabhängig von der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft.
Wer darf zum Warnstreik aufrufen?
Sobald die Friedenspflicht endet, sind Warnstreiks möglich. Zu den Arbeitsniederlegungen ― egal ob Warnstreik oder Streik ― darf ausschließlich die Gewerkschaft aufrufen. Bei uns ist das in der Regel die jeweilige Bezirksleitung oder, als deren Vertretung, die örtliche IG Metall. Mit dem Aufruf werden Uhrzeit, Dauer und in der Regel auch Treffpunkt für die Aktion vor Ort festgelegt.
Was ist eine Friedenspflicht?
Friedenspflicht bedeutet, dass während der Laufzeit eines gültigen Tarifvertrags keine Arbeitskampfmaßnahmen durchgeführt werden dürfen. Nach Ende der Friedenspflicht können wir zu Warnstreiks aufrufen. Das tun wir in der Regel auch, um den Verhandlungs- und Einigungsdruck auf die Arbeitgeber zu erhöhen. Die Friedenspflicht für den gekündigten Entgelttarifvertrag für CARIAD endet am 28.Januar 2023.
Muss ich mich zur Teilnahme am Streik in der Zeiterfassung ausbuchen oder die Streikzeit eintragen?
Nein, die Teilnahme an Arbeitskampfmaßnahmen sind kollektive Arbeitsniederlegungen, keine „Freizeit“. Deshalb muss die Abwesenheit nicht dokumentiert und Fehlstunden müssen nicht nachgearbeitet werden. Das gilt auch für andere Zeitbuchungssysteme. Während des Warnstreiks entfällt die Pflicht, über seine Arbeit/Nichtarbeit Buch zu führen oder sonstige Einträge zur Arbeitszeitdokumentation zu machen.
Muss ich mich bei Vorgesetzten abmelden, wenn ich einem Warnstreik- oder Streikaufruf folge?
Nein, bei Teilnahme am Warnstreik besteht keine Pflicht, sich bei dem:der Vorgesetzten oder im Zeiterfassungssystem abzumelden. Die bloße Teilnahme genügt. Beim Streik sind die wechselseitig bestehenden Rechte und Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert. Es besteht somit keine Meldepflicht gegenüber den Vorgesetzten. Wenn die IG Metall zum Warnstreik aufgerufen hat und die Beschäftigten sich dem Warnstreikaufruf anschließen, ist automatisch die Arbeitspflicht für die Dauer des Warnstreiks aufgehoben. Das gilt auch für Kolleg:innen, die sich aus dem Homeoffice an Warnstreiks beteiligen.
Ich arbeite im Homeoffice und möchte zur Warnstreikkundgebung gehen, geht das?
Das geht! Wenn die Gewerkschaft zum Warnstreik aufruft, verdrängt das Recht zu streiken die arbeitsvertraglichen Pflichten und geht diesen vor. Dann kann man seinen Arbeitsplatz verlassen, egal ob der im Büro, der Werkhalle oder im Homeoffice ist. Bei mobiler Arbeit gibt es ebenfalls keine Pflicht, an einem bestimmten Ort zu sein. Die Teilnahme an einer Warnstreikkundgebung macht die Unterstützung der Forderungen und der Gewerkschaft für die Arbeitgeber am sichtbarsten und ist der sicherste Weg, sein Streikrecht wahrzunehmen.
Es heißt, dass ich bei Verstößen gegen betriebliche Richtlinien und Betriebsvereinbarungen mit einer Abmahnung rechnen muss?
Die Arbeitgeber versuchen immer wieder, die Mobilisierung der IG Metall zu verhindern und schüchtern die Beschäftig-ten daher häufig ein. Angedroht wird beispielsweise eine Abmahnung bei Streikteilnahme oder wegen Verstößen gegen angebliche Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, z. B. das Erfordernis, sich abzumelden. Rechtlich fehlt diesen Drohungen meistens jegliche Grundlage. Zugegeben: Bei der Nutzung digitaler Einrichtungen und Endgeräte im Zusammenhang mit Streikmaßnahmen sind viele Fragen rechtlich nicht abschließend geklärt. Häufig bestehen sogar im Betrieb zu deren Nutzung keine klaren Regelungen.
Es gilt, entschlossen zu handeln und sich geschlossen zu beteiligen! Zur Sicherheit wird mit einem Tarifergebnis auch eine sogenannte Maßregelungsklausel abgeschlossen, die vor Abmahnungen und anderen Benachteiligungen schützt.
Habe ich Anspruch auf Entgelt, wenn ich einem Warnstreik- oder Streikaufruf folge?
Nein. Bei einem Streik gibt es keine Arbeitspflicht, aber eben auch keine Vergütungspflicht des Arbeitgebers. Er kann daher für Streikzeiten das Entgelt kürzen, ebenso die Ausbildungsvergütungen. Er muss dies aber nicht tun.
Wie sieht es mit Leihbeschäftigten aus?
Leihbeschäftigte dürfen bei Warnstreiks und Vollstreiks nicht als Streikbrecher:innen eingesetzt werden. Dies ergibt sich aus den DGB-Tarifverträgen zur Leiharbeit, aber auch aus dem seit 1. April 2017 geltenden Arbeitnehmerüberlassungs-gesetz, das ein solches Verbot vorsieht.
Unzulässig ist zum einen, die Leihbeschäftigten im Entleih-betrieb direkt Tätigkeiten von streikenden Beschäftigten übernehmen zu lassen. Zum anderen dürfen ihnen aber auch keine Aufgaben übertragen werden, die von Beschäftigten verrichtet wurden, die die Tätigkeiten selbst von Beschäftigten übernommen haben, die im Arbeitskampf sind.